Rückblick: Netzwerktreffen mit Alexandra Redel und Ahmet Toprak

Wir blicken zurück auf ein spannendes Netzwerktreffen zum Thema „sozialer Aufstieg“ mit den zwei inspirierenden Expert*innen Ahmet Toprak und Alexandra Redel. Beide haben sowohl zu ihrer eigenen Aufstiegsgeschichte als auch zu ihrer professionellen Tätigkeit in dem Bereich berichtet und ganz viele Tipps und Anregungen mitgegeben.

Den ersten Input übernahm Alexandra Redel mit dem Thema „Soziale Herkunft, Habitus und unser Verhältnis zu Arbeit und Geld“. Zunächst stellte sie ihre Arbeit bei Arbeiterkind.de vor – eine Organisation für Schüler*innen, Studierende und Berufseinsteiger*innen aus nicht-akademischen Familien –  die diese berät und dabei unterstützt, gut informierte Entscheidungen zu treffen. Die Organisation will Mut machen, wenn es passt, den akademischen Weg zu gehen. Alexandra Redel selbst ist Projektkoordinatorin des Berufseinstiegsprogramms. Dort arbeiten sie mit Role Models (zum Beispiel sie selbst), Workshops, 1:1 Mentoring und vielem mehr. Dort werden auch tiefgreifende Fragen wie „Was bin ich wert/Was ist meine Arbeit wert?“ und „Muss ich einer Firma „treu“ bleiben?“ behandelt. Als besondere Hürde für Erstakedemiker*innen nennt sie den Habitus – also die innere/äußere Haltung, ein Fremdheitsgefühl, Vorlieben, Gewohnheiten und Verhalten, dass vermeintlich nicht reinpasst. Aber auch von außen treffen Arbeiterkinder auf Hürden – sowohl von Nicht-Betroffenen (unbewusst ausgrenzende Fragen, Themen) als auch dem eigenen Umfeld (Glaubenssätze, Haltung zu Geld. Uvm.). Ihr selbst wurde bei vielen ihrer Probleme erst spät bewusst, dass sie mit ihrer Klasse zu tun haben könnten. Als besonderes Plus beschreibt sie ihr jetziges Arbeitsumfeld, dass aus sehr vielen Erstakademiker*innen besteht – entsprechend sind die Fremdheits- und Schamgefühle, wenngleich Sie auch nie vollständig weggehen, deutlich weniger. Wer sich mit ihr oder Arbeiterkind.de gerne vernetzen möchte, sollte das unbedingt tun!

Website von ArbeiterkindNetzwerk von Arbeiterkind

Anschließend durften wir viel über die spannende Lebensgeschichte von Ahmet Toprak hören. Er erzählt, dass er nur sehr schlecht die Hauptschule abgeschlossen hat und sich dann Stück für Stück durch die Bildungsinstitutionen gearbeitet hat. Er beschreibt dabei eindrücklich die doppelten Probleme durch Klasse und Migrationshintergrund. Nicht nur seine Lehrkräfte oder Personen in Bewerbungsverfahren haben ihm die Rückmeldung gegeben, dass er es nicht schaffen kann („Kannst du überhaupt auf Deutsch schreiben?“), auch von seiner Familie und seinem Umfeld kamen immer wieder Fragen wie „Was erlaubst du dir, zu glauben, du könntest Professor werden?“. In seiner Ausbildung zum Gewalttrainer gab es dann einen Professor, der fest an ihn glaubte und ihn dazu motivierte, zu promivieren. Solche Personen waren in Ahmet Topraks Leben essenziell. Er beschreibt zudem seine großen Unsicherheiten und Schwierigkeiten in Bewerbungsprozessen (Was muss man überhaupt können? Darf ich über Gehalt verhandeln oder ist das anmaßend?) und seine immer wiederkehrenden Gedanken, dass er jetzt doch auffliegt, dass er doch gekündigt wird.

In der darauf anschließenden Diskussion stellten wir fest, dass einige von den Problemen und Gedanken, die Alexandra Redel und Ahmet Toprak als Erstakademiker*innen hatten, auch auf andere marginalisierte Gruppen zutreffen. Das Problem der Gehaltsverhandlungen wird so zum Beispiel auch bei Frauen* beobachtet und viel diskutiert. Daraufhin wurde viel über die Komplexität von Intersektionalität und daraus resultierenden Fragestellungen gesprochen. Wie soll vorgegangen werden, wenn in einem Bewerbungsprozess ein männlicher Erstakademiker mit Migrationshintergrund einer weißen Frau gegenübersteht? Ahmet Toprak riet da zu kreativen, individuellen Lösungen – er selbst habe mal in genau so einer Konkurrenzsituation gestanden – am Ende wurden einfach beide eingestellt.

Zuletzt haben wir gemeinsam nach Veränderungsmöglichkeiten und Tipps gesucht. Auf der individuellen Ebene können Nicht-Betroffene, als zum Beispiel Akademikerkinder helfen, in dem sie Mut zusprechen, Wissen teilen und sensibel mit den Schwierigkeiten von Erstakademiker*innen umgehen. Auf struktureller Ebene thematisieren die Expert*innen zunächst den Ort Schule, an dem bereits viele Potenziale verloren gehen oder sogar zerstört werden. Auf Unternehmensseite oder im Wissenschaftsbetrieb: Transparenz erhöhen. Ahmet Toprak selbst, der ja mittlerweile in einer Entscheidungsposition sitzt, versucht in Berufungsverfahren maximale Transparenz zu erreichen – was auch hin und wieder zu neuen Problemen (Stichwort: Klagen) geführt hat. Dennoch hält er es für essenziell. Alexandra Redel beobachtet aktuell viel Wille für Veränderung auch in Unternehmen. Arbeiterkind.de ist immer mehr auch in Kontakt mit Unternehmen, um diese in ihrer Sensibilität für solche Themen zu schulen, Hürden abzubauen und Bewerbungsprozesse gerechter zu gestalten. Den finalen Haken schlugen die Expert*innen dann zum Thema Netzwerken – in ihrem eigenen Leben und durch ihre professionelle Erfahrung sagen beide: Netzwerke, also Leute in ähnlicher Situation und Unterstützer, sind für einen erfolgreichen Lebensweg essenziell.

Als letzten Tipp schloss Ahmet Toprak mit „Auch die anderen kochen mit Wasser!“

Wir sagen Danke an unsere zwei Speaker*innen für den Einblick in ihr Leben und ihre Arbeit und auch an alle Teilnehmenden, die zu einer lebendigen Diskussion beigetragen haben!

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