Mitte Juli 2022 rief das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (Twitter: NGA_Wiss) dazu auf, sich an einer (hochschul)politischen Aktion zu beteiligen, um die Bundestagsabgeordneten des eigenen Wahlkreises und andere politische Verantwortungsträger*innen bezüglich der verschiedenen kritischen Entwicklungen im deutschen Hochschulsystem zu kontaktieren. Im Folgenden wollen wir unsere e-Mailvorlage mit euch teilen, die wir an die MdB im Wahlkreis Mannheim versendet haben.
Für das WUMANetzwerk adaptierte E-Mail-Vorlage zu #IchBinHanna #IchBinReyhan #GegenWissZeitVG10 #IGotFundedByDAAD an die Bundestagsabgeordneten des eigenen Wahlkreises sowie an Mitglieder des „Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung“:
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Liebe*r MdB …,
als Vertreterinnen des Mannheimer Netzwerks für Wissenschaftler*innen, WUMAN (www.wuman.de), schreiben wir Ihnen als Bundestagsabgeordnete unseres Wahlreises mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Wochen, die wir als Forschende für den Wissenschaftsstandort Deutschland für sehr bedenklich halten. Der Frust über die aktuelle Situation ist über die Bank weg sehr groß – seien es junge Promovend*innen, fortgeschrittenen PostDocs oder langjährige Professor*innen. Insbesondere stechen drei Entwicklungen hervor, die wir mit großer Sorge betrachten.
1. Vorschlag der Hochschulrektorenkonferenz zum WissZeitVG
Die HRK setzt mit ihrem Vorschlag, die Befristungsgrenze von 12 auf 10 Jahre zu verkürzen auf „frühere Klarheit“ für Wissenschaftler*innen bezüglich einer akademischen Karriere. Dieser Vorschlag geht vollkommen an der Realität vorbei, berücksichtigt man die statistisch nachgewiesenen durchschnittlichen Zeiten für Promotion, Habilitation und Zeit bis zur ersten Berufung an (siehe etwa BuWiN Bericht 2021). Der Vorschlag wird zudem benachteiligte Forschende – also insbesondere Frauen und andere (mehrfach-)marginalisierte Gruppen – als erste aus dem System drängen, wodurch die deutsche Wissenschaftslandschaft noch mehr an Diversität verlieren wird als ohnehin schon.
Diese Kritik formuliert auch das Statement des NGAWiss zur WissZeitVG-Novelle (https://mittelbau.net/forderungen-zur-novellierung-des-wisszeitvg/). Bislang hat kaum eine der im Bundestag vertretenen politischen Parteien sich klar von diesem Vorschlag distanziert, der sich als Reform ausgibt, aus Sicht betroffener Wissenschaftler*innen aber eine Verschlimmbesserung bedeutet. Er darf auf keinen Fall unkritisch übernommen werden.
2. Forschungsmittelkürzung im BMBF
Offensichtlich häufen sich die Fälle, dass Forschendengruppen, deren BMBF-Projekte bereits bewilligt waren, nun doch Absagen aufgrund von Mittelkürzungen erhalten. An diesen Bewilligungen hängen reale persönliche Existenzen – dem Mittelbau versprochen wurde im Koalitionsvertrag dagegen „Planbarkeit“. Und auch, wenn die Grundfinanzierung der Hochschulen noch wesentlich dringender aufzustocken wäre als die Mittel des BMBF, ist das Signal, man könne mit weniger Forschung auskommen und Wissenschaft nebensächlich sei, ein verheerendes. Unter dem Aspekt, dass Deutschland außer “schlauen Köpfen“ wenig „Ressourcen“ hat, ist absehbar, dass dies langfristig einen Schaden für unseren Forschungsstandort bedeutet.
3. Kürzungen beim DAAD
Die massive Kürzung bei Stipendien trifft Wissenschaftler*innen vieler Disziplinen hart und insbesondere wieder diejenigen Forschenden, die auf Stipendien und Unterstützung besonders angewiesen sind: Etliche von ihnen werden in Zukunft so gar nicht mehr zu internationalen Konferenzen fahren können – entweder weil in ihren Projekten keine Mittel dafür vorgesehen werden (können) oder weil sie über den Haushalt finanziert werden und daher gar kein eigenes Projektbudget haben. Der internationale Austausch von und nach Deutschland ist essenziell – nicht nur für die individuelle Entwicklung, sondern auch für die Lösung globaler Probleme. Das zeigt sich aktuell wieder in all seiner Massivität. Welches Zeichen setzen wir, wenn genau jetzt dieser Austausch eingestampft wird?
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Wir würden gerne wissen, wie Sie zu den Entwicklungen stehen und ob bzw. wie Sie versuchen, den vielfältigen Problemen in der deutschen Forschungslandschaft – von Massenbefristungen bis hin zu Mittelkürzungen – entgegenzuwirken. Wir würden uns sehr freuen, im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mehr über Ihre Position zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, zur chronischen Unterfinanzierung von Hochschulen sowie zu den geplanten und bereits erfolgten Kürzungen von Fördergeldern erfahren.
Über eine Antwort mit persönlichem Gesprächstermin freuen wir uns sehr.
Herzliche Grüße
Dr. Meike Bonefeld, Dr. Anne-Sophie Waag und das WUMAN Team