„Zu sehen, dass meine Forschung wirklich einen direkten Impact hat, ist wohl der spannendste Aspekt.“
Ein Interview mit Dr.in Tamara Marksteiner
Geführt von Hanna Weiß
Hanna Weiß: Hallo und herzlich Willkommen zu unserem Interview für die Reihe „Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen“ von WUMAN. Wir freuen uns sehr, heute hier sein zu dürfen und würden Sie bitten, sich zu Beginn in wenigen Sätzen kurz vorzustellen.
Tamara Marksteiner: Danke für die Möglichkeit. Ich bin Tamara Marksteiner und bin Post-Doc Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie bei Herrn Professor Dickhäuser hier an der Universität Mannheim. Ich habe tatsächlich nicht Psychologie studiert, sondern Diplom Sozialwissenschaften. Es gibt hier ein paar Personen, gerade im pädagogischen oder im Bildungskontext, die keinen psychologischen Hintergrund haben, sondern Erziehungswissenschaftler*innen, Soziolog*innen oder ähnliches sind. Ich habe allerdings tatsächlich in der Psychologie promoviert und war einige Zeit am Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung in Frankfurt, wo ich im PISA-Team gearbeitet habe. Das war auch sehr spannend. Ich war im internationalen Projektmanagement, sodass ich für die Hintergrundfragebögen, die bei PISA immer mitlaufen, zuständig war. Dort habe ich mit meinen Kolleg*innen mit den ganzen Ländern, die an PISA teilnehmen, die Items und Fragen verhandelt, damit sie auch international vergleichbar sind. Es war sehr spannend, Einblicke in ein so großes Forschungsprojekt zu bekommen. Aber als Oliver Dickhäuser mir dann hier die Stelle angeboten hat, war ich auch ganz glücklich, wieder meine eigenen Themen verfolgen zu können. Zu dem Zeitpunkt war ich auch das erste Mal schwanger und dann hat das ganz gut gepasst, wieder zurückzukommen, da ich ursprünglich aus Heidelberg komme.
H.W.: Sehr spannend. Und was sind Ihre Forschungsinteressen?
T.M.: Insbesondere interessiere ich mich aktuell für soziale Eingebundenheit von Lernenden in ihren Bildungskontext und welche Auswirkungen das auf das Wohlbefinden hat. Dazu zählen eher sogenannte nicht kognitive Bildungsergebnisse und weniger die Leistung, wobei das natürlich auch ein wichtiger Faktor ist, den ich mir immer wieder anschaue. Ich gucke insbesondere auf den Zusammenhang bei stigmatisierten Gruppen, also zum Beispiel Bildungsbenachteiligten, Studierenden mit Migrationshintergrund oder Personen aus bildungsfernen Schichten; oder auch Frauen im MINT Bereich. Dazu habe ich auch gerade ein Projekt mit den Wirtschaftsmathematiker*innen und den Informatiker*innen laufen. Unsere erste Erhebung ist auch abgeschlossen. Meine beiden Studentinnen, die in das Projekt eingebunden sind, haben sich die Daten schon mal angeschaut und finden Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Zum Beispiel zeigt sich, dass sich weibliche Studierende weniger stark eingebunden fühlen. Jetzt hoffen wir natürlich, dass die bald stattfindende Intervention auch Wirkung zeigt.
H.W.: Sehr spannend!
T.M.: Ja, das ist jetzt gerade mein Forschungsschwerpunkt in der Post-Doc Phase. Wobei ich auch einen DFG-Antrag eingereicht habe, wobei noch nicht klar ist, was daraus wird. Da schaue ich mir auch die kognitiven Prozesse an, die dem ganzen unterliegen, also warum ist es so, dass sich Studierende mit einem Migrationshintergrund in der Universität erstmal nicht ganz zugehörig fühlen. Da interessiert mich, ob das vielleicht self-to-stereotype-matching-Prozesse sind. Das würde bedeuten, dass sich die Studierenden überlegen: „okay, so sieht ein stereotypischer Studierender aus. Habe ich die gleichen Eigenschaften?“ und dann würden sie vielleicht sagen „Ja, ich habe die gleichen Eigenschaften, also gehöre ich dazu“ und umgekehrt könnten sie sagen „hmm, naja, der typische Informatiker ist eigentlich männlich und wenn ich an die Stereotype denke, dann bin ich das genaue Gegenteil“. Die kognitiven Prozesse, die dabei dahinterstecken, interessieren mich. Das Interesse ist ein bisschen aus meiner Historie heraus entstanden, da ich lange auch bei den Sozialpsychologen während meines Studiums gearbeitet habe und einer meiner Doktorväter war auch aus der Sozialpsychologie. Deswegen verwende ich ganz stark diese sozialpsychologischen Theorien, aber im angewandten Kontext, das ist mir ganz wichtig. Reine Grundlagenforschung ist nichts für mich. Vielleicht mal so nebenbei in einem Projekt, aber nicht schwerpunktmäßig.
H.W.: Sehr interessant. Gibt es sonst noch Projekte, in denen Sie aktuell tätig sind?
T.M.: Das sind die Erhebungen, die ich aktuell am Laufen habe. Aber ansonsten ist mein zweiter Schwerpunkt noch das Arbeiten mit Datensätzen wie PISA, also Sekundäranalysen. Dabei schaue ich mir thematisch schon eher „social belonging“ oder die soziale Eingebundenheit an und wie sich das auf das Wohlbefinden auswirken kann. Ich arbeite auch gerade mit Marc Philipp Janson zusammen an einem Manuskript und wir schauen uns die Moderatoren für diesen Zusammenhang an. Es ist empirisch gut belegt, dass sich das soziale Zugehörigkeitsgefühl auf das Wohlbefinden auswirkt. Da haben wir uns angeschaut, wie das auf verschiedenen Ebenen, also individuelle, schulische oder länderebene, aussieht.
H.W.: Und warum haben Sie sich dafür entschieden, in diesem Bereich zu arbeiten?
T.M.: Da habe ich im Vorfeld schon überlegt, welcher Bereich gemeint ist, und das ist natürlich zum einen die Wissenschaft. Und die macht mir einfach Spaß. Bereits als Hilfskraft habe ich geglüht für die Arbeit und dafür, Erhebungen durchzuführen, um zu gucken, was Neues kommt. Aber dabei überlegt man sich auch, warum manche Dinge so sind, wie sie sind. Ich bin immer noch neugierig für Wissen und was dahintersteckt. Ich habe auch häufig geguckt, was mich im Anwendungsbereich interessieren könnte, gerade weil viele, mit denen ich studiert habe, dann in die Marktforschung gegangen sind oder zu irgendwelchen Personalvermittlungsagenturen. Ich habe auch verschiedene Praktika gemacht, aber irgendwie bin ich immer wieder hier her zurückgekommen. Hier ist es auch gerade das freie Arbeiten, was ich so toll finde. Besonders als Mutter bin ich für die zeitliche Flexibilität sehr dankbar, aber auch diese Autonomie, mir eigenständige neue Dinge zu überlegen und in Projekten zu untersuchen, ist mir sehr wichtig.
H.W.: Das ist auch total schön, dass das mit Ihrer Familie und Ihrem Beruf so gut klappt. Das kann bei Frauen auch häufig ein Thema sein.
T.M.: Ja, das stimmt. „Klappen“ ist so eine Sache. Wenn ich mich vergleiche, wie es war, als ich noch keine Kinder hatte vs. jetzt mit Kindern, dann fällt mir natürlich auf, dass ich jetzt ein ganz anderes Leben habe und da auch andere Prioritäten setze. Zum Beispiel habe ich während meiner Doktorandinnenzeit bestimmt so 10-12 Stunden im Büro verbracht, aber das mache ich jetzt nicht mehr. Ich könnte es zwar, wenn mein Mann die ganze Zeit auf die Kinder aufpasst, aber das möchte ich gar nicht. Ich bekomme auch sehr viel Unterstützung von meinen Eltern, was auch ein wichtiger Punkt ist. Ich glaube, dass es bestimmt eine größere Herausforderung ist, wenn man niemanden hat, der sich auch mal um den Nachwuchs kümmern kann.
H.W.: Ja, dass kann ich mir auf jeden Fall auch vorstellen. Was ist denn der spannendste Aspekt an Ihrer Arbeit?
T.M.: Viele Dinge. Einmal auf jeden Fall der praktische Teil. Wenn man in die Daten schauen kann und sieht, ob die Intervention funktioniert hat und weiß, dass man einer Gruppe von Studierenden geholfen hat, ihren Notenschnitt zu heben, dann ist das ein tolles Gefühl. Der eine Teil ist natürlich das in-die-Daten-Schauen und sehen, was signifikant geworden ist, aber das andere ist auch dieser praktische Aspekt. Zu sehen, dass meine Forschung wirklich einen direkten Impact hat, ist wohl der spannendste Aspekt.
H.W.: Das kann ich verstehen. Das klingt auch sehr spannend. Dann sind wir auch schon am Ende unseres Interviews. Ich möchte mich nochmal herzlich für das interessante Gespräch bedanken. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft und Ihre weiteren Projekte.
T.M.: Vielen Dank, dass ich hier sein durfte.